Viele mittelständische Unternehmen beklagen sich über fehlende Fachkräfte auf dem Markt. Es gibt relativ einfache Maßnahmen für mehr Fachkräfte-Kapazität, auch im Mittelstand.
Was können sie intern für die Fachkräfte-Kapazität tun?
Fachkräfte sind spezialisiert auf ihr Fach. Das ist eine Binsen-Weisheit. Genau darum sind sie nicht einfach zu ersetzen. Dafür wäre eine andere Fachkraft mit der gleichen Spezialisierung und der gleichen Erfahrung notwendig, z. B. in der Konstruktion oder mit der IT. Wenn also ein solcher Ersatz so schwierig ist, ergeben sich drei Handlungs-Prinzipien für ihr Unternehmen:
Die 3 einfachen internen Maßnahmen für mehr Fachkräfte-Kapazität
- Sorgsam mit der vorhandenen Fachkräfte-Kapazität umgehen.
- Fachkräfte im Unternehmen halten.
- Für externe Fachkräfte attraktiv sein.
Diese drei Prinzipien müssen sie in konkrete Aktivitäten umwandeln, um die gewünschten Wirkungen zu erreichen. Hier erhalten sie von mir ein paar Anregungen dazu:
1. Fachkräfte gegenüber Störungen abschirmen!
Heute wird die meiste Facharbeit als Geistesarbeit geleistet, also in einer Büro-Umgebung. In Unternehmen sind Großraumbüros sehr weit verbreitet, weil sie die Kommunikation fördern sollen. Bei der Facharbeit ist Konzentration auf das Thema notwendig. Großraumbüros sind dafür nicht geeignet, weil z. B. an der einen Ecke jemand telefoniert, in einem anderen Bereich eine Absprache zwischen zwei Mitarbeitern stattfindet und an einem dritten Ort jemand sichtbar an einem Muster herumwerkelt. Das ist kontraproduktiv.
Alles was die Konzentration der Fachkräfte stört, sollte vermieden werden. Das betrifft vor allem das Hören und Sehen. Der Mensch kann nicht einmal im Schlaf das Gehör abschalten. Darum gibt es akustische Rauchmelder. Geräusche sind also nicht unterdrückbare Störungen.
Schotten sie Ihre Fachkräfte gegenüber akustischen Störungen ab. Diese Forderung ist nicht neu. Sie wurde schon im Jahr 2012 von Maik Pfingsten in einer Podcast-Folge thematisiert.
Häufig telefonierende Mitarbeiter, wie im Vertrieb, in der Produktionssteuerung oder im Projektmanagement, sollten nicht im gleichen Raum mit den Fachkräften platziert werden. Einige Fachkräfte benutzen Ohrhörer, um sich gegenüber der nervenden Umwelt abzuschirmen. Das kann auch kontraproduktiv sein, wenn die Störgeräusche nur ersetzt werden z. B. durch Musik, die auch von der Konzentration abhält. Während der Tätigkeit sollten sie den Gebrauch untersagen, wenn sie ein störungsarmes Umfeld sicherstellen können.
Ständige visuelle Änderungen können die Konzentration ebenfalls erheblich beeinträchtigen. Der Mensch hat ein großes Blickfeld. Damit registriert er auch seitlich passierende Änderungen, welche die Konzentration stören können. Sorgen sie deshalb für ein optisch ruhiges Blickfeld ihrer wichtigen Fachkräfte im Büro. Laut einer Bitkom-Studie bevorzugen die Mitarbeiter generell Büros mit wenigen Arbeitsplätzen.
Diese Abschirmungen reduzieren auch die Kommunikation mit anderen Mitarbeitern. Diese reduzierte Kommunikation können sie kompensieren, wenn diese Mitarbeiter die Pausen beim Kaffee oder bei einer Mahlzeit gemeinsam verbringen können. Beseitigen sie Störungen, dann brauchen sie vielleicht keine weiteren Maßnahmen für mehr Fachkräfte-Kapazität!
2. Fachkräfte von fachfremden Tätigkeiten befreien!
Hochleistungsrechner werden für komplexe wissenschaftliche Aufgaben benutzt und nicht für routinemäßige Gehaltsabrechnungen. Ähnliches sollte auch für ihre Fachkräfte gelten.
Eine Einarbeitung in andere fachfremde Aufgaben kostet wertvolle Zeit, genauso wie die Arbeit an diesen Aufgaben. In den vergangenen 30 Jahren wurden die Mitarbeiter zu Alleskönnern gemacht. Neben ihrer fachlichen Tätigkeit besorgen sie sich Arbeitsmittel, sie organisieren ihre Reisen, sie dokumentieren ihre Arbeitszeit auf Projekte, sie nehmen an immer mehr unnötigen Meetings teil usw. Das alles kostet wertvolle Arbeitszeit und es verringert die verbleibende Kapazität für die fachliche Tätigkeit.
- Muss eine Fachkraft selbst einen komplexen Beschaffungsprozess starten und verfolgen?
- Muss die Fachkraft externe Meetings selbst organisieren?
- Muss eine Fachkraft ein verlängerter Arm der Verwaltung sein?
Wenn wir es ernst meinen mit der Gleichheit von Führungs- und Fach-Laufbahnen, dann sollten sie nicht nur Führungskräfte, sondern auch Fachkräfte mit Assistenzen unterstützen.
3. Fachkräften etwas Besseres bieten als andere Unternehmen!
Speziell die KMUs klagen über den Fachkräftemangel. Großunternehmen sind für gefragte Fachkräfte häufig attraktiv und die KMUs verlieren im Arbeitsmarkt. Entweder bekommen sie keine Berufseinsteiger oder sie verlieren gestandene Fachleute an Großunternehmen.
Gibt es ein Mittel gegen die Unterlegenheit der KMUs auf dem Arbeitsmarkt?
Ja, sie müssen auf dem Arbeitsmarkt-Wettbewerb einfach besser sein als die großen. Dazu sollten die KMUs die Schwachstelle der Großunternehmen kennen. Große Unternehmen brauchen Regeln für alle. Ohne diese unternehmensweiten Regeln ist das große Unternehmen nicht zu steuern. Kleine Unternehmen brauchen auch Regeln, aber mit Ausnahmen bricht das kleine Unternehmen nicht zusammen. Die KMUs können mit solchen Maßnahmen also viel gezielter auf die Bedürfnisse der Fachkräfte eingehen und sich damit deren Kapazität sichern.
Erstes Beispiel
Ein gestandener Fachmann im Mittelstands-Unternehmen fühlt sich, wie im Hamsterrad. Er klagt, dass sich etwas ändern muss. Beim Chef läuten die Alarmglocken. Wenn ihm nichts einfällt, ist der Fachmann nach einigen Monaten weg und er hat das Problem, diese Position neu zu besetzen. Außerdem müsste er für die Neubesetzung (Stellenwerbung, Gespräche, Umzugskosten, …) auch noch einen fünfstelligen Geldbetrag locker machen.
Der Chef sucht das Gespräch mit dem Fachmann, denn er hat vier Einfälle zur Verbesserung der Situation.
- Einarbeitung in ein zusätzliches angrenzendes Fachgebiet mit intensiver externer Weiterbildung (fachliche Abwechslung)
- Auszeit nach dem nächsten abgeschlossenen Projekt und der Einarbeitung eines Vertreters (Ausruhen)
- Interne oder externe Anleitung / Weiterbildung von Berufseinsteigern im Fachgebiet (Kompetenz breiter anwenden)
- Zeitweise Tätigkeit in einer Niederlassung im Ausland oder direkt bei einem attraktiven Kunden (kulturelle Abwechslung)
Ich kann mir gut vorstellen, dass dem Fachmann ein Vorschlag davon gefallen wird.
Zweites Beispiel
Ein Hochschul-Absolvent hat die Wahl. Zu ihm passen zwei Stellenangebote, eines bei einem Großunternehmen in einer größeren Stadt mit dem üblichen Bewerbungsprozess und das andere bei einem kleinen Unternehmen auf dem Land. Was kann der Chef des kleinen Unternehmens tun, um im Wettbewerb zu gewinnen?
- Unternehmens-Homepage mit Informationen bestücken, die einem Bewerber interessieren Hierzu empfehle ich eine interessante Leben-Führen Podcast-Folge von Olaf Kapinski
- Einladung des Bewerbers zum Vor-Ort Bewerbungsgespräch mit Partner und den Informationsteil des Gespräches im Beisein des Partners führen
- Betreuungs-Partner für die Einarbeitungszeit des Absolventen festlegen
- Karriere-Pfade im Unternehmen als Schriftstück übergeben
- Home-Office Regelungen des Unternehmens als Schriftstück übergeben
- Mitarbeiter-Vorteile als Schriftstück übergeben (Betriebl. Altersvorsorge, Kredit vom Unternehmen, …)
- Liste mit Wohnungsvermittlern und geplanten Wohnungsbau-Gebieten in der Umgebung aushändigen
- Liste mit Schulen und Kindereinrichtungen in der Umgebung aushändigen
- Aktuelle Listen mit Sport- und Interessen-Vereinen in der Umgebung aushändigen
- Spezielle Interessen vom Bewerber mit Partner erfragen und nach dem Gespräch erste lokale Informationen dazu schriftlich liefern
Welches Unternehmen würden sie in einem solchen Bewerbungsprozess bevorzugen?
Die Sichtweise zu den Maßnahmen für mehr Fachkräfte-Kapazität
Betrachten sie die Situation aus der Sicht der Fachkräfte und berücksichtigen sie deren konkrete Bedürfnisse. Dann haben sie eine große Chance, ihre Fachkräfte zu halten, deren vorhandene Kapazität optimal zu nutzen und für neue Fachkräfte ein interessantes Unternehmen zu sein.